Die Schlagzeilen während der Corona-Krise und jetzt aktuell mit der enormen Teuerung lassen wenig Raum für Optimismus. Wieder verlieren die Schwachen, die, die ohnehin schon am Rande der Gesellschaft stehen. Und wieder geht es dabei auf Kosten der Frauen. All jene, die ihre Kinder daheim versorgt haben und in ohnehin schon schlecht bezahlten Jobs auch von Kurzarbeit betoffen waren oder jene, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, ernteten zwar Applaus, konnten sich aber auch nach der Pandemie keine bessere Wohnung leisten.
Wie können wir Hoffnung aufrechterhalten, ohne uns dem Vorwurf auszusetzen, oberflächlich und naiv zu sein? Ohne Angst zu haben, als zynisch gegenüber dem Leid zu gelten? Wenn wir aus der Nahsicht der Gegenwarte einen Schritt zurücktreten und längere Zeiträume in den Blick nehmen, erkennen wir, dass jede Krise in der Geschichte auch ein Wendepunkt war, der die Gesellschaft positiv verändert hat. Mehr als die Hälfte der Menschen ist fähig, nach einem traumatischen Ereignis innerlich zu wachsen. Das gilt auch für ganze Gesellschaften.
Werfen wir einen Blick auf die gesamte Welt, erkennen wir: Die absolute Armut nimmt ab, immer mehr Länder werden demokratisch, Frauen bekommen weltweit mehr Rechte auf ein Leben in Gleichheit und Würde, die Kinderarbeit wird weniger, es gibt immer weniger Kriegstote; die Menschen werden älter und bleiben dabei länger gesund. Jetzt könnte man sofort einwenden: Aber was ist mit den Kriegen um uns? Was mit den politischen Rückschritten in Nachbarländern? Und was mit der Zunahme von psychischen Erkrankungen? Und dann noch das Klima. Wir stehen doch kurz vor dem Abgrund.
Und genau darum geht es. Nicht sicher ist, ob wir einem großen Irrtum aufsitzen oder uns gar in biedermeierlicher Idylle wiegen, wenn wir mit einer großen Hoffnung und einem Zutrauen in die Solidarität der Menschen auf die Welt schauen. Jeder Untersuchung, die auf eine moralische und geistige Höherentwicklung unserer Kultur verweist, steht eine Warnung vor einem baldigen Absturz gegenüber. Wem also glauben?
Menschen sind keine Engel, deswegen sind sie auch nicht heilig und sie machen Fehler. Aber die gesamte Evolution der Menschheit beruht auf Kooperation und Freundlichkeit. Sie beruht auf der Fähigkeit, sich ihrer selbst bewusst zu sein, sich in andere hinein fühlen zu können und zu lernen. Und wie jede Pflanze auf Wachstum angelegt ist und zur Sonne wächst, so sind auch wir Menschen auf die Entfaltung all unserer Potenziale hin angelegt. Dieses humanistische Menschenbild ist eines, das man nicht abschließend beweisen kann, es wird gestützt durch viele Untersuchungen und lässt dennoch Fragen offen.
Wir können auf die Hamsterkäufer:innen schimpfen oder all jene sehen, die für die Nachbar:innen einkaufen gehen. Wir können auf die Politiker:innen schimpfen oder froh sein, dass wir in dieser Krise nicht selbst über Richtig und Falsch entscheiden müssen und sehen, mit welcher Geduld Menschen in einem Akt von Solidarität ihr Leben einschränken. Die Corona-Krise ist für die einen der Beweis einer Apokalypse, für die anderen ein Wunder. Nämlich dass die gesamte Weltwirtschaft sich einer Rezession unterwirft, damit vor allem alte oder gesundheitlich beeinträchtigte Menschen vor einer Ansteckung geschützt werden.
Den Menschen kann man nicht trauen, meinen die einen. Dass es nun Zeit ist, uns auf schwesterliche Verbundenheit zu besinnen, meinen die anderen. Freundlichkeit ist mehr als eine Form der äußeren Höflichkeit. Es ist genau genommen revolutionär und eine zutiefst politische Haltung. Ändern wir unser Menschenbild, ändert sich unser Leben und ändert sich unser Leben, ändert sich die Welt. Es ist Zeit anzufangen. Genau jetzt!
Text: Maria Embacher | Foto: istockphoto.com