Heleen M. hatte den Wunsch, etwas mit Medizin und Technik zu machen. Schließlich hat sie sich für die Orthopädietechnik entschieden und große Freude daran, Menschen zu helfen.
Alter bei Ausbildungsabschluss 23 Jahre
Region Pongau
FiT Ausbildung LAP Orthopädietechnikerin Prothetik und Orthetik
Ausbildungsstätte/Firma LAP-Lehrgang Pongau/ FirmaTappe, Salzburg
Aktuelle Position/Tätigkeit Orthopädietechnikerin
Warum hast du dich für diese Ausbildung entschieden?
Ich wollte nach meiner Matura in Syrien schon immer gerne etwas mit Medizin und Technik machen, aber das war dort nicht mehr möglich. In Österreich habe ich nach einem Deutschkurs dann als Zahnarztassistentin gearbeitet, aber ich wollte mehr. Das AMS hat mir FiT angeboten und während der Basisqualifizierung habe ich ein kurzes Praktikum als Zahntechnikerin gemacht. Dann bin ich auf Orthopädietechnikerin gekommen, einen Beruf, den ich vorher nicht kannte. Da kann ich Menschen helfen und mit den Händen etwas machen.
Was machst du in der Arbeit genau?
Wir haben in der Werkstatt verschiedene Teams für die einzelnen Bereiche. Ich arbeite hauptsächlich in der Prothetik, d.h., ich stelle z. B. künstliche Beine her. Da muss man sich in Anatomie gut auskennen und wissen, wie die Knochen liegen und die Nerven verlaufen. Der Schaft ist das Verbindungsteil zwischen Körper und Prothese. Und dafür mache ich einen Gipsabdruck, gieße es in eine Form und passe dann den Schaft genau an, damit er nirgends drückt oder reibt. Dann stelle ich den Fuß her und wähle dafür je nach Beanspruchung, Größe und Gewicht das passende Material und Maß. Dazu muss ich vorher mit den Kund*innen selbst sprechen, ihnen genau erklären, was auf sie zukommt und wie sie mit der Prothese umgehen sollen. Als ich das das erste Mal alleine machte, war ich sehr aufgeregt, aber ist alles gut gegangen.
Was braucht man für diese Tätigkeit?
Fingerfertigkeit, Gespür für das Material, guten Umgang mit den Menschen und es ist bei uns auch viel Teamarbeit. Für mich ist das Tolle, dass ich Menschen helfen kann. Wenn du siehst, dass jemand nach sechs Monaten wieder geht, freust du dich.
Wie hat dein Umfeld auf diesen Ausbildungsweg reagiert?
Die meisten kannten diesen Beruf nicht, aber jetzt sind sie sehr stolz auf mich. Mein Vater hat mich total unterstützt. Meine Mutter war am Anfang ein wenig unsicher, auch weil mein Deutsch noch nicht so gut war, aber jetzt sind alle froh.
Was hat dir diese Ausbildung gebracht?
Ich bin selbstbewusster und unabhängig, verdiene besser und habe einen Beruf mit Zukunft.
Was war für dich die größte Herausforderung?
Die Berufsschule: da war es mit der Sprache schwierig und Anatomie war schon eine große Hürde, die ganzen Fachbegriffe. Manchmal dachte ich ans Aufhören, wenn ich überfordert war. Aber es hat mich interessiert und ich habe immer gelernt, auch wenn es andere in der Berufsschule nicht so genau nahmen.
Wer bzw. was hat dir geholfen, dein Ziel zu erreichen?
Nette Kolleg*innen aus der Firma haben mich immer unterstützt. In der Firma habe ich alle Bereiche kennengelernt, der Werkstattleiter, Herr Stabauer, hat mit uns drei Lehrlingen regelmäßige Besprechungen gemacht und etwas erklärt, da habe ich viel gelernt. Die Familie und mein Freund standen voll hinter mir. Und es war gut, im FiT-Programm Ansprechpartner*innen zu haben, an die man sich wenden konnte.
Was war dein größtes Erfolgserlebnis?
Die Lehrabschlussprüfung! Es war ein sehr langer Tag, von 7 bis 20 Uhr. Ich habe mich als erste für das Fachgespräch gemeldet, das eineinhalb Stunden dauerte und wo der gesamte Lehrstoff abgefragt wurde inklusive Anatomie. Dann hatte ich sechs Stunden Zeit für den praktischen Teil. Da musste ich eine Prothese aufbauen und ein selbstgenähtes Mieder herstellen. Und es ist alles gut gegangen!
Was möchtest du anderen FiT-Teilnehmerinnen mit auf den Weg geben?
Machen, machen, machen, die Gelegenheit gut ausnützen. Nicht aufgeben, einfach weitermachen.
FiT ist ein super Weg, in zweieinhalb Jahren hatte ich eine fertige Ausbildung. Die Entscheidung für diesen Beruf ist bei mir erst im LAP-Lehrgang gefallen und sie war richtig. Ich wurde gut ausgebildet und arbeite weiterhin mit Freude bei der Firma. Die zwei Stunden täglich im Zug sind für mich kein Problem, ich kann die Zeit gut nutzen.
Was ist dir sonst noch wichtig zu sagen?
Ein großes Dankeschön an alle die mir das ermöglicht und mich unterstützt haben. Ganz besonders an „Die Berater“, Andreas Weitgasser und das Team vom LAP-Lehrgang, die mir viel geholfen haben und immer für mich da waren!
Und was sagt der Betrieb? Wir haben mit Herrn Stabauer, dem Leiter der Orthopädietechnik-Werkstatt bei der Firma Tappe in Salzburg, gesprochen:
Was sind Ihre Erfahrungen mit Frauen in handwerklichen oder technischen Berufen?
Unsere Erfahrungen mit Frauen in der Orthopädietechnik-Werkstatt sind grundsätzlich sehr gut, wir haben aktuell auch fünf beschäftigte Frauen in der OT. Wir hatten jedoch auch schon vereinzelt auszubildende Frauen, die mit dem Berufsbild nicht zurechtkamen (z. B. mit der handwerklichen/metallverarbeitenden Ausbildung oder mit der psychischen Belastung durch die Krankheitsbilder unserer Kunden).
Wie stehen Sie zu erwachsenen Lehrlingen?
Hierbei kommt es sehr stark auf die bereits vorhandene Ausbildung an, dies gilt jedoch gleichermaßen für Frauen und Männer. Wählt man bei Erwachsenen eine verkürzte Ausbildungszeit, so ist das eine sehr hohe Anforderung für die praktische handwerkliche Ausbildung in der Werkstatt. Ein positiver Lehrabschluss ist dennoch möglich, aber eventuelle Mängel müssen dann durch die weitere Praxis ausgeglichen werden. Bei der vollen Lehrzeit kann man schon während der Ausbildung mehr in die Tiefe gehen, aber es dauert länger und kostet trotz AMS-Förderung den Betrieb etwas mehr. Dies gilt es im Einzelfall abzuwägen.
Was würden Sie einer erwachsenen Frau raten, die eine Lehre im handwerklich-technischen Bereich machen möchte? Was ist wichtig? Worauf kommt es an?
Das ist eine sehr persönliche Entscheidung jeder einzelnen Bewerberin, dabei kommt es stark darauf an, wie die Ausbildung davor ausgesehen hat, kommt man aus einem handwerklichen Beruf, ist es sicher leichter hier einzusteigen! Oft ist auch der Wunsch zu „helfen“ ein Entscheidungskriterium, was aber keine wesentliche Voraussetzung für unseren Beruf darstellt. Viel wichtiger sind ein gewisses handwerkliches Verständnis und die Fähigkeit, die erworbenen Fähigkeiten bei der Erstellung der Hilfsmittel und Prothesen anzuwenden, das medizinisch erworbene Wissen mit den handwerklichen Anforderungen in Einklang zu bringen. Dies gilt jedoch auch wieder für Frauen und Männer gleichermaßen.
Möchten Sie speziell zu Heleen M. noch etwas sagen?
Heleen ist für dieses Ausbildungsmodell sicher kein Maßstab, da sie eine besondere Ausnahme darstellt, was man wohl kaum von jemandem erwarten kann. Es treffen bei ihr Talent und Hartnäckigkeit im positivsten Sinn aufeinander, was ich in dieser Intensität in meiner beruflichen Laufbahn auch noch nicht gesehen habe.
Die Fähigkeit, unsere Sprache in so kurzer Zeit zu erlernen, sich in unserem Land so schnell anzupassen und zurechtzufinden, und dann noch diese sehr schwere Ausbildung erfolgreich abzuschließen, ist wirklich höchst lobenswert und zeugt auch von einem starken Charakter. Auch jetzt als Gesellin setzt Heleen das Gelernte sehr gut um und ist immer bestrebt vorwärtszukommen und dazuzulernen. Ich denke, sie wird es in unserem Beruf noch weit bringen, und vor allem hat man bei Heleen das Gefühl, sie macht das mit Freude. Ich wünsche ihr für die Zukunft alles Gute und viel Spaß in der Orthopädietechnik